Stuttgarter Zeitung 18.04.2013
Autorin Heike Armbruster.
Markuskirche – ein funktionaler Kirchenbau.
Die Markuskirche ist einer der wenigen Kichenbauten in Stuttgart, der die Weltkriege relativ unbeschadet überstanden hat.
Jugendstil oder doch Romanik? So richtig einordnen lässt sich die Architektonik der Markuskirche an der Ecke von Römer- und Filderstraße nicht. Funktional dagegen ist ein Begriff, den Architekturhistorikerin Ellen Pietrus bei der Führung durch die Markuskirche häufig verwendet. Pietrus muss es wissen. Sie hat über den Kirchenbaumeister Heinrich Dolmetsch, den Architekten der Markuskirche, promoviert. Deshalb hat die Geschichtswerkstatt Süd, die die Führung organisiert hat, Pietrus gebeten, die baulichen Besonderheiten der Kirche vorzustellen.
Wie bei den vergangenen Führungen der Geschichtswerkstatt sind es auch an diesem Tag Dutzende Südstädter, die etwas über eine Wegmarke in ihrer Nachbarschaft erfahren möchten. „Die Markuskirche“, beginnt Pietrus, „ist in vielerlei Hinsicht eine außergewöhnliche Kirche.“ Schon die Fassade, eine Mischung aus Naturstein und Putz, sei im Jahr 1908 keineswegs üblich für einen Kirchenbau im Königreich Württemberg gewesen. Die Markuskirche ist einer der letzten Bauten, die Heinrich Dolmetsch entwarf. Der Architekt, der selbst Mitglied der Markusgemeinde war, starb im Alter von 62 Jahren am 27. Juli 1908, wenige Monate nach der Kirchenweihe.
Für eine bessere Akustik im Inneren sorgt ein Korkputz
„Die ersten Entwürfe zur Kirche waren weit konventioneller“, sagt Pietrus. Der erste Grundriss zum Beispiel sei kreuzförmig und nur auf Naturstein ausgelegt gewesen. Der Kirche im Inneren einen Saalcharakter zu geben, diese Idee habe Dolmetsch erst im Laufe der Planung entwickelt. Dass die Markuskirche nun vom Prinzip her einer Basilika mit einem großen und zwei kleineren Mittelschiffen gleicht, sei funktional begründet. Dolmetsch habe gewollt, dass der Prediger von allen Stellen in der Kirche aus gut zu sehen und zu verstehen sei, entsprechend sei die Kanzel angeordnet. Um die Akustik in der Kirche zu verbessern, enthält der Putz der Innenwände Korkstücke. Die raue Optik im Inneren hat also praktische Gründe.
Die Entscheidung, die Markuskirche zu bauen, fiel, weil mit dem Wachstum Stuttgarts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Kapazitäten der Leonhardskirche in der Stadtmitte nicht mehr ausgereicht hatten, erzählt die Architekturhistorikerin. Um der wachsenden Gemeinde gerecht zu werden, sei im Sommer 1894 zunächst eine Wanderkirche, ein Fachwerkgebäude, an der Ecke von Heusteig- und Cottastraße aufgestellt worden. Auch die Kirche der neu gegründeten Markusgemeinde sollte, erzählt Pietrus weiter, ursprünglich an eben jener Ecke gebaut werden. Die Fläche an der Ecke von Römer- und Filderstraße, wo die Kirche heute steht, hielten die Gegner dieses Grundstücks für zu weit abgelegen. Trotz dieser Befürchtungen erwarb die Gemeinde 1903 das Grundstück. Dass die Befürchtungen unbegründet waren, zeigte sich bald. Mit dem Bau der Markuskirche wuchs auch das Lehenviertel. Nur wenige Jahre nach der Einweihung der Kirche am 29. März 1908 konnte von abgelegen keine Rede mehr sein.
Wer die Markuskirche heute betritt, der findet im Gegensatz zu vielen anderen Stuttgarter Kirchen vieles so vor wie am Tag der Erbauung. Die Kirche überstand die beiden Weltkriege weitgehend unbeschadet. Geändert hat sich wenig, beispielsweise sind die Fenster auf der unteren Ebene nun bunt verglast und der Fußboden hat eine Heizung. Dafür ist die Farbgebung ebenso erhalten worden wie die Holzbänke. Letztere lassen sich übrigens bei Bedarf um einen Sitz erweitern, den man einfach seitlich ausziehen kann.
Invalid Displayed Gallery